Was Covid-19 für das ländliche Ghana bedeutet

Was Covid-19 für das ländliche Ghana bedeutet – ein erster Bericht aus Adaklu, Volta Region

 

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Karsten Gareis, HITA, 5.4.2020 (aktualisiert am 14.4.2020) –  Dank für Input an Jacob Ahiave / Grow Your Dream Foundation und Celestin Yao Etiam, Adaklu, Ghana

1.) Einführung

Das Land Ghana scheint aufgrund seiner Erfahrungen mit früheren Epidemien, insbesondere der Ebola-Epidemie in Westafrika (2013-2016), gut aufgestellt zu sein, um der aktuellen Gefahr einer massiven Ausbreitung von Covid-19 zu begegnen. Damals erhielt Ghana von der WHO und Experten weltweit viel Lob dafür, die Bedrohung durch Ebola sehr erfolgreich gemeistert zu haben. Dieser Erfolg wurde zurückgeführt auf:

interministerielle Anstrengungen zur Überwachung der Häfen, der Einwanderungs- und Sicherheitsdienste und des ghanaischen Gesundheitsdienstes sowie die nationalen und regionalen technischen Koordinierungsausschüsse sowie die Sensibilisierungsbemühungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Zur Verwaltung der Fälle wurden drei Ebola-Behandlungszentren eingerichtet. Sie waren mit der Überwachung, Lagebeobachtung und -bewertung, dem Fallmanagement, der Gesundheitserziehung, der sozialen Mobilisierung und der Risikokommunikation, der Logistik, der Sicherheit, der Bereitstellung der finanziellen Ressourcen sowie der Planung und Koordination beauftragt. Für an vorderster Front tätiges Gesundheitspersonal, das an der Prävention und Kontrolle von Ebola arbeitet wurde ein spezieller Versicherungsschutz eingeführt – ein weiterer positiver Schritt. Um Ebola von Ghana fernzuhalten, unternahm die Regierung weitreichende Maßnahmen im Bereich von Bildung und Ausbildung, schuf ein Bewusstsein in den Medien, Kirchen, Schulen und an öffentlichen Orten und förderte Präventivmaßnahmen wie Händewaschen, Vermeidung unnötigen Körperkontakts mit kranken Menschen, Änderung der Beerdigungsverfahren und verstärkte Überwachung/Durchsuchung an den Häfen.“ [1]

Natürlich bestehen erhebliche Unterschiede zwischen Ebola und Corona. Ebola ist etwa 30 Mal tödlicher als Corona, aber letzterer verbreitet sich viel leichter. Dennoch können viele der während der Ebola-Epidemie erprobten Verfahren auch auf die aktuelle Herausforderung angewendet werden. Der erste Fall von mit Corona infizierten Personen in Ghana wurde am 12.3.2020 gemeldet. Bis zum 12.4. stieg die Zahl der Fälle auf 566, von denen 8 tödlich verlaufen sind. In der Volta-Region wurden die ersten 9 Fälle am 12.4. gemeldet.

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Die Regierung hat auf den Ausbruch von Corona schnell und entschieden reagiert. Am 15.3.2020 wurden alle öffentlichen Versammlungen verboten, einschließlich Konferenzen, Workshops, Beerdigungen, Festivals aller Art, politische Kundgebungen, kirchliche Aktivitäten und andere damit verbundene Veranstaltungen, um die Verbreitung von Corona einzudämmen. Grundschulen, weiterführende Schulen und Universitäten, sowohl öffentliche als auch private, wurden ebenfalls geschlossen. Seit dem 22.3. bis mindestens zum 19.4. sind alle Außengrenzen geschlossen. Am 30.3. wurde eine zunächst zweiwöchige Ausgangssperre für drei Stadtregionen, in denen Fälle von Infektionen gemeldet wurden, in Kraft gesetzt: Accra, Tema und Kumasi (einschließlich deren Vorstädte). Die Ausgangssperre ist inzwischen um zwei weitere Wochen verlängert worden. In diesen Gebieten dürfen nur Bewohner, die lebenswichtige Dienstleistungen erbringen, wie Gesundheitspersonal, einige wichtige Regierungsbeamte, Restaurants und Lebensmittelverkäufer, ihre Wohnung verlassen. Außerdem dürfen Menschen ihre Behausungen verlassen, um Lebensmittel zu kaufen. Ein Fokus liegt auf der Identifizierung von Personen, mit denen die erwiesenermaßen Infizierten in letzter Zeit Kontakt hatten, und auf der stärkeren Nutzung von Tests in allen Teilen des Landes. Weitere Maßnahmen sind die Desinfektion von Märkten vor allem in der Region Accra, eine spezielle Lebensversicherung für Gesundheitspersonal, das unmittelbar mit der Pandemie in Berührung kommt, sowie die Einrichtung von Quarantänezentren. Darüber hinaus ergriffen die Regierung und der staatliche Gesundheitsdienst (GHS) eine Reihe von Maßnahmen, um die Öffentlichkeit über angemessenes Verhalten zur Eindämmung der Bedrohung durch Corona zu informieren; so wurde ein auf Whatsapp basierenden Benachrichtigungsservice eingeführt, und landesweit wurden Plakate ausgehängt mit Anweisungen zum korrekten Verhalten.

Die entscheidende Frage ist nun, inwieweit die getroffenen Maßnahmen dazu beitragen können, eine starke Ausbreitung des Virus in der ghanaischen Bevölkerung zu verhindern. Die Wissenschaft ist sich noch nicht im Klaren darüber, ob bzw. in welchem Maße warmes Wetter die Ausbreitung des Virus tendenziell hemmt, was Länder wie Ghana – wo das Thermometer in weiten Teilen des Landes fast nie unter 20° C sinkt – vor den schlimmsten Auswirkungen der Pandemie bewahren würde. Andererseits besteht durchaus die Möglichkeit, dass das Auftreten dieser neuen Krankheit verheerende und dauerhafte Auswirkungen auf das ohnehin schon anfällige Gesundheitssystem des Landes haben wird. Ghanas Gesundheitsbehörden sind sich sehr wohl bewusst, „dass die Krankenhäuser nur einen Bruchteil der Bedürftigen versorgen könnten, wenn sich das Virus in überfüllten Städten, abgelegenen Dörfern und unter gefährdeten Bevölkerungsgruppen wie Flüchtlingen, Unterernährten oder Menschen, die an HIV und anderen chronischen Krankheiten leiden, ausbreitet“ [2]. Ausgehend von den jüngsten Erfahrungen anderer Länder ist Ghana sicherlich gut beraten, sich auf das Schlimmste vorzubereiten.

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Wie in anderen Ländern mit niedrigem und niedrigem mittlerem Einkommen (LMIC) sind die Rahmenbedingungen für die Bewältigung einer Corona-Infektionswelle in Ghana äußerst ungünstig. An vielen Orten Ghanas stellt schon das Händewaschen eine Herausforderung dar, weil kaum Zugang zu fließendem Wasser besteht. Die Isolierung der Fälle (d.h. die räumliche Trennung von Menschen, die bereits positiv getestet wurden, von anderen Gemeinde- und Haushaltsmitgliedern) und die Quarantäne zu Hause (14-tägige, totale Ausgangssperre für Menschen, die exponiert wurden und möglicherweise infiziert sind) werden nur möglich sein, wenn eine Bereitschaft in der Bevölkerung besteht, den öffentlichen Anweisungen Folge zu leisten. Dies kann eine Herausforderung darstellen insbesondere aufgrund von Angst vor Stigmatisierung und wegen mangelnder Einsicht in die Logik der Epidemie, d.h. die Tatsache, dass Personen mit keinen oder leichten Symptomen diese auf andere übertragen können und diese damit eine ernsthaften Gefahr aussetzen. Außerhalb der großen Agglomerationen dürfte es sich darüber hinaus als sehr schwierig erweisen, einzelne Regionen von anderen komplett abzuriegeln.

Verschärft wird die Gefahrenlage durch die weite Verbreitung von Krankheiten wie Malaria und Tuberkulose. Zahlreiche Menschen leiden bereits an chronischen Krankheiten und sind daher besonders vulnerabel. Die Mortalität unter Personen, die an einer Lungenentzündung oder anderen Infektionen der unteren Atemwege erkranken (wie sie für schwere Fälle von Covid-19 typisch sind), ist in Afrika deutlich höher als in Ländern mit höherem Einkommen [3]. Betrachtet man die Sterblichkeit über alle Altersgruppen hinweg in Ghana, sind solche Infektionen für mehr Todesfälle verantwortlich als jede andere Ursache (etwa 20.000 jährlich). Etwa 5.000 Kinder unter 5 Jahren sterben jedes Jahr an Lungenentzündung [4]. Unter diesen Bedingungen könnte das Coronavirus leicht zu einer großen Zahl zusätzlicher Todesfälle führen.

Während eine rasche Ausbreitung von Corona somit katastrophale Folgen für Ghana zeitigen könnte, wird die Pandemie selbst dann weitreichende Auswirkungen auf die Gesundheit der ghanaischen Bevölkerung haben, wenn das Virus selbst nicht direkt zu einem signifikanten Anstieg der Sterblichkeitsraten führt. Der Grund sind die indirekten Effekte der Maßnahmen zur Bekämpfung von Corona. Zu diesen gehören Arbeitslosigkeit und die daraus resultierenden sinkenden Haushaltseinkommen, steigende Preise für Gebrauchsgüter und eine sich verbreitetende Tendenz unter Kranken, Schwangeren und anderen Pflegebedürftigen, aus Angst vor einer Infektion oder Quarantäne keine medizinische Hilfe mehr in Anspruch zu nehmen (siehe nächster Abschnitt).

So oder so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Land in seinen Bemühungen, die vieldiskutierten „Sustainable Development Goals“ zu erreichen (z.B. Reduzierung der Mortalitätsraten von Müttern und Neugeborenen), um Jahre zurückgeworfen wird.

2.) Allgemeine Herausforderungen für Ghana mit Bezug auf Covid-19

Die ersten Fälle von Covid-19 in der Volta-Region wurden erst am 12. April gemeldet. Bereits in in den Wochen zuvor haben die Maßnahmen der Regierung sowie die Berichterstattung in den Medien und die Kommunikation in den sozialen Netzwerken begonnen, das tägliche Leben selbst in den entlegensten Teilen des Landes zu beeinflussen.

Verbreitung von Falschinformationen

Eine große Herausforderung stellt das dar, was als „Corona-Infodemie“ bezeichnet wird – d.h. die enorme Verbreitung von Gerüchten und Falschinformationen rund um die aktuelle Epidemie. Einige dieser Gerüchte verursachen Schaden, indem sie die Menschen in vermeintlicher Sicherheit wiegen, z.B. durch die Behauptung, dass Schwarze gegen das Virus immun sind oder dass dieses bei einer Temperatur von mehr als 26°C abstirbt. Eine solche Vorstellung mag plausibel klingen, da die meisten gemeldeten Fälle von Infizierten unter Personen zu finden sind, die von außerhalb Afrikas in das Land eingereist sind. Aufgrund der extrem niedrigen Anzahl von Personen, die in Ghana auf das Virus getestet werden, ist es jedoch leicht möglich, dass bereits weite Teile der einheimischen Bevölkerung infiziert sind, ohne dass dieses erkannt wurde. Andere Gerüchte verursachen direkte Schäden, indem sie Menschen zu gefährlichen Arten von Selbstmedikation verleiten, wie etwa die Einnahme von Bleichmitteln gegen eine Virusinfektion. Solche Arten von Falschinformationen verbreiten sich in der Regel schnell von Mund zu Mund, vor allem in den Teilen des Landes, in denen nur wenige Einwohner Zugang zu Fernsehen oder Mobiltelefonen haben und auch viele nicht Englisch lesen können.

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Sinkende Nutzung von Gesundheitsdiensten

Einiges deutet darauf hin, dass die Bewohner selbst in Regionen weit entfernt von den Corona-Hotspots in Ghana begonnen haben, Besuche in Krankenhäusern und Gesundheitsposten zu vermeiden, da sie annehmen, dass sie an diesen Orten in Kontakt mit Infizierten kommen könnten. Während der Ebola-Epidemie 2013-2016 wurden für den Großteil Westafrikas rückläufige Raten von betreuten Geburten gemeldet. Auch der Transport von Personen, die professionelle Hilfe benötigen, zu einer Gesundheitseinrichtung dürfte immer schwieriger werden, weil Dienstleister höhere Preise verlangen und vermeintlich infizierte Personen nicht mehr befördern.

Die gegenwärtige Praxis der Isolierung von Personen, von denen angenommen wird, dass sie mit Corona infiziert sein könnten, macht die Sache noch schlimmer. Von unseren Kontakten in der Region erreichten uns Berichte, dass in Adaklu und der Stadt Ho (die in der Nähe von Adaklu liegt und deren Universitätskrankenhaus auch die Bevölkerung des Distrikts versorgt) Personen, die wegen Symptomen, die durch Corona verursacht werden könnten, einen Arzt bzw. eine Ärtin aufsuchen oder von denen aus anderen Gründen vermutet wird, dass sie infiziert sein könnten, nicht nach Hause zurückkehren dürfen, sondern für 14 Tage in einem Gebäude auf dem Gelände des Krankenhauses unter Quarantäne gestellt werden. Angesichts dieser Praxis kann es nicht verwundern, dass viele Bewohner*innen Besuche in einer Gesundheitseinrichtung vermeiden werden – um nicht Gefahr zu laufen, unter Quarantäne gestellt zu werden, selbst wenn es keinen Nachweis gibt, dass sie tatsächlich mit Corona infiziert sind.

Explodierende Preise bei Produkten für die persönliche Hygiene

Die Marktpreise für Seife und Desinfektionsmittel, ganz zu schweigen von Schutzmasken und -kleidung, sind seit dem Ausbruch der Epidemie in die Höhe geschnellt. Dies macht es für die Menschen sehr viel schwieriger, sich ausreichend häufig die Hände zu waschen, zu einer Zeit, in der dies für die Eindämmung der Ausbreitung von Corona von zentraler Bedeutung ist.

Steigende Preise auch für Güter des täglichen Bedarfs

Die Preise für alle Arten von Gütern des täglichen Bedarfs, also nicht nur für Seife und Desinfektionsmittel, sind in den letzten Wochen deutlich gestiegen. Infolgedessen wird es für immer mehr Haushalte schwierig oder unmöglich sein, alle Familienmitglieder ausreichend mit Nährstoffen zu versorgen. Die Regierung hat darauf reagiert, indem sie die Stromrechnungen der privaten Haushalte um die Hälfte (bei Haushalten mit sehr niedrigem Einkommen um 100%) gesenkt hat – ein Schritt, der im Zusammenhang mit den für Ende dieses Jahres geplanten Parlamentswahlen gesehen werden muss, und der mittelfristig zu einer Häufung von Stromausfällen sorgen dürfte.

Arbeitslosigkeit und daraus resultierende Einkommensverluste

Während die Preise steigen, verlieren viele Beschäftigte und Arbeiter*innen in der informellen Wirtschaft infolge des Lockdowns ihren Arbeitsplatz oder werden zumindest in den unbezahlten Urlaub geschickt. Besonders betroffen sind Familien, die bereits nahe an der Armutsgrenze leben – mit absehbaren negativen Auswirkungen auf ihre Gesundheit.

Unvereinbarkeit mit Traditionen des öffentlichen Lebens

Die Aufforderung der Gesundheitsbehörden, das Händeschütteln zu vermeiden, und das Verbot von religiösen Zusammenkünften und Beerdigungen betrifft Lebensaspekte, die den Ghanaer*innen als heilig gelten. Wie die ghanaische Journalistin Elizabeth Ohene in einem Bericht für die BBC feststellt:

„Hier in Ghana gibt es einige Dinge, die in unserem Leben heilig sind, und niemand stellt sie in Frage – unter welchen Umständen auch immer: Religion, Händeschütteln und Beerdigungen. Das sind Themen, die nicht zur Diskussion stehen, und viele Menschen glauben, dass sie unsere Existenz definieren. […] Das Verbot religiöser Versammlungen […] hat große Auswirkungen auf Menschen, für die das gemeinsame Gebet und die Disziplin des religiösen Kalenders im Mittelpunkt ihres Lebens stehen“[5]

Nun aber blieben die Kirchen über Ostern, dem heiligsten Fest im Kalender der ghanaischen Christen, geschlossen. Wenn Beschränkungen dieser Art über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden sollen, sind zu ihrer Durchsetzung – und um zu vermeiden, dass in der aktuellen Situation nach Sündenböcken gesucht wird – starke Kommunikationsanstrengungen erforderlich. Auch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass viele Familien versuchen werden, Symptome, die durch eine Infektion mit Corona hervorgerufen werden können, zu verheimlichen anstatt sie den Gesundheitsbehörden zu melden; denn niemand möchte als die Person bekannt werden, die das Virus in eine Nachbarschaft eingeschleppt hat!

Mentale Gesundheit und häusliche Gewalt

Experten, die in diesem Gebiet tätig sind, haben die Befürchtung geäußert, dass eine Abriegelung, wie sie derzeit in Accra, Tema und Kumasi besteht, eine Zunahme häuslicher Gewalt auslösen könnte; insbesondere Frauen und Kinder seien hierdurch gefährdet. Der psychische Stress, der dadurch entsteht, dass man unter beengten Lebensbedingungen, wie sie in ganz Ghana vorherrschen, sein Zuhause nicht verlassen darf, kann auch zu allgemeineren psychischen Problemen führen. Es sind Maßnahmen erforderlich, um Familien und Gemeinden bei der Bewältigung der Situation zu unterstützen, insbesondere wenn die Ausgangssperre über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten wird.

3.) Ausgangsbedingungen im Adaklu Distrikt, Volta Region, Ghana

Der Distrikt Adaklu ist einer der 18 Distrikte der Volta Region der Republik Ghana mit Adaklu-Waya als Hauptstadt. Der Distrikt hat laut der Volks- und Wohnungszählung von 2010 eine Bevölkerung von 36.391 Einwohnern (Schätzungen des Statistischen Dienstes von Ghana gehen von 44.300 Einwohnern im Jahr 2019 aus). Die große Mehrheit (~90%) der Arbeitskräfte im Distrikt ist in der Landwirtschaft tätig.

Adaklu ist einer der am stärksten benachteiligten Districts des Landes. Das vom ghanaischen Statistikdienst veröffentlichte Ghana Poverty Mapping Project 2015 ergab, dass die Armutsinzidenz, d.h. der Anteil der Bevölkerung des Distrikts, der unter der nationalen Armutsgrenze lebt, in der Volta-Region mit 89,7% bei weitem am höchsten (Durchschnitt: 33,3%) und im ganzen Land am zweithöchsten ist. Die Armut in Adaklu ist nicht nur weit verbreitet, sondern auch schwerwiegend: Gemäß dem Indikator „Tiefe der Armut“, der misst, wie weit unterhalb der Armutsgrenze der Lebensstandard der Armen im Durchschnitt liegt, weist Adaklu das drittschlechteste Ergebnis der 216 Distrikte Ghanas auf. Im Gegensatz zu einigen der anderen armen Teile Ghanas ist die Ungleichheit im Distrikt Adaklu jedoch sehr gering – niedriger als in jedem anderen Distrikt der Volta Region.

Die weit verbreitete wirtschaftliche Not bedeutet, dass viele Einwohner auf die landwirtschaftliche Produktion zur Selbstversorgung angewiesen sind, um über die Runden zu kommen (Subsistenzwirtschaft). Um ihr mickriges Einkommen aufzubessern, ist die Mehrheit der Frauen in Adaklu in der Lebensmittelverarbeitung und im Kleinhandel sowie in der handwerklichen Produktion für ihren Lebensunterhalt tätig.

Zu den konkreten Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Kampf gegen Corona in Adaklu gehören die folgenden:

  • Schlechte Versorgung mit Trinkwasser in vielen Teilen des Adaklu-Distrikts;
  • Geringes verfügbares Einkommen, welches für den Kauf von Gütern des täglichen Bedarfs (inkl. Seife und Desinfektionsmitteln), die seit dem Ausbruch der aktuellen Epidemie wesentlich teurer geworden sind, zur Verfügung steht;
  • Die Lebensbedingungen in den Siedlungen in den meisten Teilen des Adaklu-Distrikts erlauben es nicht, Familienmitglieder von anderen Mitgliedern der Gemeinschaft zu isolieren;
  • Hoher Anteil an Bewohnern, die kein Englisch lesen bzw. verstehen können und daher auf Informationen angewiesen sind, die von anderen Mitgliedern der Gemeinde weitergegeben werden.

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4.) Was ist zu tun?

Aus dem Obenstehenden lässt sich folgern, dass in der aktuellen Situation viel von der Art und Weise abhängt, wie die gegen die Ausbreitung von Corona ergriffenen Maßnahmen in die Praxis umgesetzt werden. In diesem Zusammenhang betont Shannon Smith vom African Center for Strategic Studies in Washington, DC, dass:

„die Aufrechterhaltung des öffentlichen Vertrauens während dieser Pandemie von wesentlicher Bedeutung sein wird. Die Regierungen müssen wirklich kommunizieren, anstatt lediglich Maßregeln aufzustellen. Strategische Kommunikation ist ein entscheidendes Element für die öffentliche Gesundheit. Die Ebola-Epidemie in Westafrika endete letztlich aufgrund von Verhaltensänderungen, die unter sehr schwierigen Umständen stattfanden. Dies erforderte die Mitwirkung der Gemeinschaft auf lokaler Ebene, örtliche Gesprächspartner und Kommunikation“. [6]

Andere Experten pflichten ihr bei, dass die Ebene der Dorfgemeinde und der Familie von zentraler Bedeutung für eine erfolgreiche Bewältigung der aktuellen Krise sind:

„Wie Ebola ist Covid-19 eine Familienkrankheit in dem Sinne, dass viele Infektionen zu Hause auftreten. Reisebeschränkungen können die Ausbreitung der Krankheit verlangsamen, aber hilfreich ist es auch, wenn Einzelpersonen und Familien die Infektionswege verstehen und häusliche Vorsichtsmaßnahmen treffen.“ [7]

Wie können Gemeinden und Familien in ihrem Lebensumfeld am wirksamsten in den Kampf gegen Corona eingebunden werden, über die reine Verbreitung von Verhaltensmaßregeln hinaus? Ist es möglich, Ansätze der Co-creation und des Co-development zu nutzen, um unter der Bevölkerung ein Gefühl der Eigenverantwortung für Maßnahmen gegen die Krankheit zu etablieren? Und welche Rolle könnte dabei moderne Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) spielen? Können wir im Kampf gegen Covid-19 davon profitieren, dass Ghana über eine enorme Verbreitung von Smartphones und ein sehr dichtes Mobilfunknetz verfügt, selbst in den abgelegensten Teilen des Landes?

Was wir brauchen, ist ein Ansatz, der dazu beitragen könnte, bewährte Praktiken im Umgang mit der Corona-Bedrohung so effektiv wie möglich auszutauschen, aber auch neue Ansätze zu entwickeln und zu etablieren, um die Ausbreitung des Virus auf eine Weise zu stoppen, die an die lokalen Bedingungen und Bedürfnisse angepasst ist – in enger Kooperation mit den Dorfgemeinschaften und den wichtigsten örtlichen Akteuren wie den Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens und den Vertretern des Ghana Health Services (GHS).

Erste Aktivitäten auf lokaler Ebene in Adaklu

Seit Mitte März 2020 vermittelt das Team der Grow Your Dream Foundation (GYDF) Informationen über Corona im Rahmen ihrer Aktivitäten in den Gemeinden in Adaklu. Bei den Treffen auf Gemeindeebene, an denen viele Mitglieder des jeweiligen Dorfes zusammenkommen, betont die GYDF die Notwendigkeit, die Bedrohung durch Corona ernst zu nehmen. Besonderer Wert wird darauf gelegt, über Falschinformationen und Gerüchte aufzuklären, die über die sozialen Netzwerke und Mundpropaganda verbreitet werden, wie z.B. die nachgewiesen falsche Behauptung, dass Schwarzafrikaner gegen den Virus immun seien.

Zu den praktischen Ratschlägen gehört die Notwendigkeit, sich häufig genug die Hände mit Seife und unter fließendem Wasser zu waschen. Leider ist nur ein kleiner Teil des Adaklu-Distriktes an das leitungsgebundene Wassernetz angebunden, so dass das Händewaschen eine Herausforderung darstellt. Kommerzielle Anbieter offerieren so genannte Veronica Buckets, die aus einem Holzständer, auf dem Eimer, Handtuch und Seifenspender angebracht sind, einem Wasserhahn und einem Einer für das Schmutzwasser besteht. Veronica Buckets wurden ursprünglich in Ghana erfunden als eine einfache Möglichkeit, allen Menschen korrektes Händewaschen zu erlauben.

Der Preis für den Kauf eines Veronica-Eimers ist gering, kann aber immer noch zu hoch sein, um ihn für die ärmsten Gemeinden des Landes, wie z.B. in Adaklu, erschwinglich zu machen. Das Team von GYDF hat eine Lösung gefunden, die noch kostengünstiger ist: Indem man einen Hahn an einem gebrauchten Kanister befestigt und ihn auf einen Zaun oder eine Astgabel stellt (siehe Foto unten links), kann eine Handwaschanlage für sehr wenig Geld realisiert werden. Da solche Kanister in der Regel in jeder Gemeinde leicht erhältlich sind (da sie für den Transport von Frischwasser aus nahegelegenen Flüssen verwendet werden), kann die Einrichtung innerhalb weniger Minuten erfolgen.

Andere Gemeinden verfügen bereits über prakatische Einrichtungen zum Händewaschen, die sogenannten „Tip Taps“, die vor einer Toilette oder einem Viehstall angebracht worden sind (siehe Foto unten rechts). Sie gehen auf eine frühere Initiative einer amerikanischen Entwicklungshilfe-Organisation zurück und bestehen aus vor Ort verfügbaren Materialien. Beim „Tip Tap“ wird ein Fußhebel benutzt, um das Wasser zum laufen zu bringen, wodurch das Risiko minimiert wird, sich durch Berühren eines traditionellen Wasserhahns mit einem Krankheitserreger zu infizieren.

Ausblick

Erste Bemühungen finden also bereits auch auf lokaler Ebene statt, um in Zusammenarbeit mit den ländlichen Gemeinden in Adaklu die Ausbreitung von Corona zu verhindern bzw. die Folgen der Epidemie, sollte es auch in diesem Teil des Landes zu einer Infektionswelle kommen, zu mildern. Während die ländliche Bevölkerung vergleichsweise leicht von der Notwendigkeit des Händewaschens überzeugt werden kann, ist die Umsetzung einige der anderen Anweisungen der Gesundheitsbehörden viel schwieriger. Vielen Ghanaer*innen fällt es schwer, auf das obligatorische Händeschütteln zu verzichten. Das Gleiche gilt für die Einhaltung eines Abstands von mindestens einem Meter zwischen sich und anderen Personen. Darüber hinaus kann die Furcht vor Stigmatisierung (und davor, von einer Quarantäne an einem zentralen Ort betroffen zu sein) Personen mit Symptomen, die möglicherweise mit Corona in Zusammenhang stehen, wie Husten oder Niesen, dazu veranlassen, ihren Zustand zu verbergen, anstatt ärztliche Hilfe aufzusuchen.

 

Um also die Bevölkerung von der Notwendigkeit zu überzeugen, sich entsprechend den Empfehlungen der Gesundheitsbehörden zu verhalten, bedarf es einer erheblichen Kraftanstrengung. Zentral ist eine zielgerichtete, angemessene Kommunikation mit den Bürger*innen. Dies muss auch die Bereitschaft umfassen, auf die Ängste und Wünsche der Menschen zu hören. Im Idealfall sollten die Gemeindemitglieder die Möglichkeit erhalten, geeignete Verhaltensweisen zu diskutieren und selbst Praktiken vorzuschlagen und gemeinsam zu entwickeln, die unter den herrschenden Rahmenbedingungen praktikabel und für alle Betroffenen akzeptabel sind. HITA befindet sich zurzeit in engem Kontakt mit dem Team der Grow Your Life Foundation sowie mit unseren länger etablierten Partnern vor Ort und mit einer Reihe europäischer Entwicklungshilfeorganisationen, um Mittel und Wege zu diskutieren, wie unser auf IKT, mLearning und mHealth basierender Ansatz in der gegenwärtigen Situation zum Einsatz kommen könnte und welche Schritte hierfür als nächstes notwendig sind.

Wir werden an dieser Stelle weitere Informationen veröffentlichen, sobald diese verfügbar werden.

Artikel als PDF: Report – Covid 19 und Adaklu

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Quellenangaben:


[1]     Oleribe, O. O., Salako, B. L., Ka, M. M., Akpalu, A., McConnochie, M., Foster, M., & Taylor-Robinson, S. D. (2015) ‘Ebola virus disease epidemic in West Africa: lessons learned and issues arising from West African countries’, Clinical medicine (London, England), 15(1), 54–57. www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4954525/ [eigene Übersetzung]

[2]     Burke, J. & Okiror, S. (2020) ‘Africa’s fragile health systems rush to contain coronavirus’, 20 March, www.theguardian.com/world/2020/mar/20/africas-fragile-health-systems-rush-to-contain-coronavirus [eigene Übersetzung]

[3]     Abbey, M. et al. (2018), Pneumonia in Ghana—a need to raise the profile, International Health, Volume 10, Issue 1, January 2018, Pages 4–7, https://doi.org/10.1093/inthealth/ihx062

[4]     ibid.

[5]     Ohene, E. (2020) ‘Coronavirus: Why Ghana has gone into mourning after mass funeral ban’, online article, BBC News, 26 March, https://www.bbc.com/news/world-africa-52010868 [Eigene Übersetzung]

[6]     Smith, S. (2020) ‘Managing Health and Economic Priorities as the COVID-19 Pandemic Spreads in Africa’, online article, Washington, DC: Africa Center for Strategic Studies, https://africacenter.org/spotlight/managing-health-economic-priorities-covid-19-pandemic-spreads-africa/ [eigene Übersetzung]

[7]    Richards, P. (2020) ‘What Might Africa Teach the World? Covid-19 and Ebola Virus Disease Compared’, online article, African Arguments, 17 March, https://africanarguments.org/2020/03/17/what-might-africa-teach-the-world-covid-19-and-ebola-virus-disease-compared/  [eigene Übersetzung]