Problemstellung / Ausgangslage:
Bei unseren Besuchen in Krankenhäuser unterschiedlicher Größen ist uns immer wieder aufgefallen, wie dringend der Aufbau von medizinischer Informationstechnologie gerade in Einrichtungen in den ländlichen Gebieten Ghanas ist. Auffallend war, wie stark die wachsende Ungleichheit in der medizinischen IT und medizinisch-technischen Ausstattung im Vergleich zu urbanen Versorgungsstrukturen zunimmt. Das „digital gap“ nimmt unserer Auffassung nach definitiv zu, nicht nur zwischen Ländern des Nordens und Südens sondern auch innerhalb des Landes zwischen den Großstädten und ländlichen Gebieten. Von großer Bedeutung sind auch mangelnde Computerkenntnisse der Krankenpflegerinnen und Hebammen. Umfassende Anstrengen sind unbedingt notwendig, um die „digital literacy“ (digitale Kompetenz) der Anwender*innen zu verbessern.
In vielen kleineren und auch größeren Krankenhäusern erfolgt beispielsweise die gesamte Patientendokumentation nach wie vor händisch. Eine geordnete, zuverlässige und vor allem auch wieder auffindbare und damit weiter zu nutzende Dokumentation von persönlichen Gesundheitsdaten erfolgt nur in einem sehr eingeschränkten Maße. Ein weiteres Beispiel, das uns immer wieder verzweifeln ließ, ist der Umgang mit Medikamenten. Oft sind diese nicht auffindbar, überlagert oder es fehlt an zuverlässigen Informationen über die Medikamente.
Das Projekt:
Mehrere Workshops wurden mit Vertretern verschiedener Gesundheitseinrichtungen durchgeführt, um die größten Probleme in der Versorgung von Patienten*innen im ländlichen Raum zu eruieren. In zwei Einrichtungen, kleineren Krankenhäusern in der Western und der Volta Region, haben wir dann vor Ort vertiefende Workshops mit Krankenpflegerinnen und Hebammen durchgeführt. Die Ergebnisse wurden bestätigt: Immer wieder wurden Probleme mit der Dokumentation der Gesundheitsdaten, dem Wiederauffinden der handschriftlichen Unterlagen und Probleme in der Administration der spärlich vorhandenen Medikamente, genannt.
Genau dort haben wir angesetzt und gemeinsam mit den Beteiligten Lösungen erarbeitet, die dazu beitragen sollen, diese Probleme zu lösen. Es wurden Konzepte erarbeitet, wie die vorhandene Dokumentation digitalisiert werden kann. Dazu wurden Musterexemplare von Patientenakten erarbeitet und ein Verfahren entwickelt, wie diese Daten nachträglich und in Zukunft digital gespeichert, ausgewertet und wiederverwendet werden können.
In beiden Einrichtungen wurden Mini-Netzwerke rund um einen kleinen Datenserver konzipiert und installiert. Von zentraler Bedeutung war ein Scanner, der dazu verwendet wird, vorhandene Dokumente zu digitalisieren. In beiden Einrichtungen wurden das Personal im Umgang mit der Soft- und Hardware geschult, um einen nachhaltigen Gebrauch zu gewährleisten.
Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle auch bleiben, dass medizinisch-technische Anwendungen auch schnell an Grenzen stoßen. Risiken, insbesondere unter den Rahmenbedingungen, wie sie in Ghana und in anderen Ländern des globalen Südens oftmals vorkommen, müssen unbedingt berücksichtigt werden, wenn Lösungen aus den Industrienationen adaptiert werden sollen. In diesem Zusammenhang sind begrenzte limitierte lokale Wartungs- und Reparaturmöglichkeiten, die mangelnde Zuverlässigkeit der Strom- und Telekommunikationsnetzwerke sowie die begrenzten PC-Kenntnisse der Anwender*innen zu berücksichtigen. Last but not least muss bei den Beteiligten auch ein Bewusstsein geschaffen werden, wie mit sensiblen Patientendaten umgegangen werden soll.
Die Qualität der Gesundheitsversorgungssituation hängt des Weiteren auch von der Verfügbarkeit und Qualität medizinischer Produkte ab. Nach Angaben der WHO ist jedes zehnte medizinische Produkt in Ländern des Globalen Südens gefälscht oder qualitativ minderwertig.
Dadurch entstehen nicht nur immense ökonomische Belastungen, sondern teilweise auch lebensbedrohliche Gefahren für erkrankte Menschen. Ein Lösungsansatz zur Sicherstellung von qualitativ hochwertigen Medikamenten sind zum Beispiel digitale Verwaltungssysteme, die eine Verfolgung der Medikamente vom Produzenten bis zum finalen Abnehmer ermöglichen. Dieses Problem konnten wir in unserem Projekt natürlich nicht angehen.
Erfolgreich waren wir aber in Bezug auf eine effizientere Planung und Steuerung der Beschaffung von Medikamenten. Durch den Einsatz von Computern und die Schulung des Personals im Umgang mit einer einfachen Datenbank konnten wir die Verschwendung reduzieren und die Überalterung von Medikamenten vermeiden. Insgesamt können wir nachweisen, dass selbst relativ einfache Lösung zu einer Erhöhung der Kosteneffizienz durch die Vermeidung von Überlagerung und eine Verbesserung der Medikamentenverfügbarkeit beitragen können.
Die erarbeiteten Lösungen machen aber auch deutlich, dass Mindestanforderungen an die lokale IZ und Versorgungs-Infrastruktur gestellt werden müssen: eine stabile Stromversorgung ist nicht immer gegeben und muss durch Notstromaggregate sichergestellt werden, um überhaupt verlässliche Lösungen zu ermöglichen. Wahrscheinlich das größte Problem stellt die Verfügbarkeit von Fachpersonal dar, welches die Technik bedient, regelmäßig wartet und im Bedarfsfall auch reparieren kann. Umfangreiche Schulungsmaßnahmen müssen in solchen Projekten im Mittelpunkt stehen, um eine nachhaltige Verbesserung zu erzielen.
Resumée und Ausblick:
Die moderne Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) bietet die große Chance, ein gesundes Leben für alle Menschen in der Welt zu gewährleisten und ihr Wohlergehen zu fördern (SDG 3). Die Digitalisierung in entwickelten Gesundheitssystemen ist nicht mehr aufzuhalten und trägt zu erheblichen Effizienzgewinnen bei. Der Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur und die fortschreitende Technologisierung bei zeitgleich sinkenden Kosten ermöglicht es auch den Ländern des Globalen Südens an dieser Entwicklung teilzunehmen.
Die Einsatzmöglichkeiten digitaler Technologien im Gesundheitssektor sind sehr vielfältig und entwickeln sich ständig weiter. Grundsätzlich können digitale Anwendungen auf diesem Gebiet dazu beitragen, die Versorgung der Patienten*innen nicht nur zu verbessern, sondern auch die Effizienz der Leistungserbringung zu steigern. Das banale Wiederfinden von patientenbezogenen Daten kann – so wie mehrfach in unseren Projekten erfolgt – den Unterschied ausmachen. Darüber hinaus kann die Digitalisierung bzw. der Einsatz von MedIT den Zugang zu Gesundheitsdiensten erleichtern bzw. überhaupt erst ermöglichen. Unnötige Mehrfachbesuche aufgrund nicht vorhandener Dokumente können so verhindert werden. Last but not least wird die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessert, z.B. durch digitale Fortbildungsmöglichkeiten oder – wie bei uns im Projekt mehrfach nachgewiesen – durch ein verbessertes Wissensmanagement durch effizientere Auswertungsmöglichkeiten vergangener Fälle.