Problemstellung / Ausgangslage:
In Ghana mangelt es an Ärzten. In einigen Gebieten – vor allem im Norden Ghanas – versorgt ein Arzt eine Bevölkerung von etwa 180.000 Personen. Folglich muss ein Großteil der medizinischen Leistungen von Pflegekräften und Hebammen oder sogar Gesundheitsassistenten*innen erbracht werden. Häufig treten schwerwiegende medizinische Probleme auf, wenn Pflegekräfte weitere Hilfe benötigen und diese nicht bekommen.
Einige der Krankenschwestern kennen Personen, die sie im Bedarfsfall anrufen können - andere nicht. Allerdings reicht es nicht aus, die Nummer eines Arztes zu kennen, wenn der Arzt den Anruf nicht entgegennehmen kann. Ziel dieses Machbarkeitsstudie ist es, herauszufinden, wie man es ermöglichen kann, dass jede Pflegekraft jederzeit einen Arzt der erforderlichen medizinischen Fakultät anrufen kann. Außerdem soll geklärt werden, ob ein solcher Ansatz nachhaltig umgesetzt werden kann. Es gilt herauszufinden, ob und wie solche telemedizinischen Dienste können in verschiedenen Regionen und Ländern auf der ganzen Welt angeboten werden können.
Das Projekt:
Der Mangel an Ärzten im Ghanaischen Gesundheitswesen – insbesondere in den ländlichen Gebieten im Norden – nimmt dramatische Ausmaße an. Bis zu 180 000 Bewohner einer Gegend müssen von einem Arzt betreut werden.
Vor diesem Hintergrund hat HITA gemeinsam mit Vertretern des Ghanaischen Gesundheitsministeriums (MOH) und des Ghanaischen Health Service (GHS) eine Machbarkeitsstudie lanciert, um herauszufinden, wie diesem Mangel begegnet werden kann. Die Idee ist, dass ein virtuelles telemedizinische Zentrum ratsuchende Pflegekräfte und Hebammen (z. B. bei medizinischen Problemen) mit beratenden Ärzten verbindet. Um nachhaltig agieren zu können und vor allem, um Investitionskosten niedrig zu halten, können Ärzte, die in Ghana oder an einem anderen Ort leben, Beratungszeit für ein bestimmtes Datum und eine bestimmte medizinische Fakultät spenden. Sobald eine Pflegekraft eine für einen medizinischen Bereich spezifische Notrufnummer anruft, wird ihr Anruf an einen „diensthabenden“ Arzt weitergeleitet. Die Software ist idealerweise direkt mit einer elektronischen Patientenakte und der Krankengeschichte verbunden.
Das virtuelle Telemedizinzentrum ließe sich problemlos zu einem „echten“ Telemedizinzentrum erweitern, in dem Ärzte physisch an einem Ort – beispielsweise in einem Krankenhaus oder in einem Telekonsultationszentrum zusammensitzen. In beiden Fällen ist die einzige technische Voraussetzung für die Pflegekräfte ein Telefon, optimalerweise mit Kamera, um Bilder (z. B. von Wunden) als MMS an den Arzt zu senden. Ärzte benötigen einen PC für Zeitbuchungen und ein Telefon für die Telekonsultation.
Der Webserver führt eine Anwendung aus, die die Zeitfenster verwaltet. Über diese Anwendung spenden Ärzte „ihre“ Zeit. Bei einem weltweiten Einsatz könnten aufgrund der verschiedenen Zeitzonen – so die Überlegungen – problemlos eine 24/7 Bereitschaftszeit gewährleistet werden. Die Anwendung „programmiert“ die Telefonzentrale so, dass jeder Anruf einer Pflegekraft an einen „passenden“ diensthabenden Arzt weitergeleitet wird. Die technische Machbarkeit eines solchen Telefonservers wurde erfolgreich getestet.
Wichtig war im Rahmen der Studie, Nutzungsvoraussetzungen zu identifizieren. Dazu gehörten u.a. die Folgenden:
• Ein Arzt kann wählen, wann und wie viel Zeit er spenden möchte, um Pflegekräfte zu konsultieren (auch wiederkehrend).
• Ein Arzt kann die Art der medizinischen Probleme auswählen, für die er Hilfe anbieten möchte
• Ein Arzt kann erkennen, wann seine Hilfe am dringendsten benötigt wird (SMS-Dienst?)
• Eine Pflegekraft kann erkennen, ob ein Arzt verfügbar und für Hilfe/Beratung zuständig ist
• Eine Pflegekraft kann sich an denselben Arzt wenden, um weitere Fragen zu stellen
• Optional: Eine Krankenpfleger*in kann Bilder eines medizinischen Problems an einen Arzt senden
• Optional: Ein Arzt kann die Krankengeschichte eines Patienten erkennen
• Optional: Ein Arzt kann einen Anruf an einen anderen Experten weiterleiten, wenn er nicht helfen kann (oder einen Rückruf tätigen à SMS mit eindeutigem Token?)
Schnell war im Rahmen der Studie klar, wie gewaltig die Herausforderungen sind, dem sich das Projektteam stellen muss, wenn die Machbarkeitsstudie erfolgreich abgeschlossen werden kann:
• Zuallererst gilt es, eine ausreichende Anzahl von Ärzten, die bereit, kompetent und verfügbar sind, um eine 24/7-Telekonsultation für mehrere medizinische Fakultäten abzudecken, zu identifizieren und für einen solchen Ansatz zu rekrutieren
• Die Verfügbarkeit des Internets in Ghana muss geklärt und abgesichert werden.
• Ein Betreiber für die Telefonzentrale muss gefunden werden
• Der Dienst muss Ghanaweit gewollt und implementiert werden
• Die technische Infrastruktur kann nur mit Hilfe eine landesweiten Mobilfunkanbieters implementiert werden
Last but not least ist ein entscheidender Faktor für dieses Projekts die Vermarktung des Ansatzes, also die Verbreitung der Informationen über diesen neuen Dienst sowohl an Krankenpfleger*innen und Hebammen in Ghana als auch an Ärzte in Ghana und auf der ganzen Welt.
Eine weitere wichtige Fragestellung für das MOH und den GHS war, inwiefern das Angebot internationalisiert werden kann, und ob dies eine Geschäftsmöglichkeit für das Ghanaische Gesundheitssystem sein könnte.
Resumée und Ausblick:
Mit dem Projekt konnte prinzipiell gezeigt werden, wie mit einem Web-Server-basierten System Krankenpfleger*innen und Hebammen darin unterstützt werden können, jederzeit einen Arzt ereichen zu können. Die Unterstützung der Lehrenden beschränkt sich dabei nicht nur auf die vereinfachte Kontrolle der Lernergebnisse sondern auch auf andere – regelmäßigere – Methoden der Wissenskontrolle.
Wichtig für die Zukunft wird es sein, Fragen des Logins zu betrachten. So wird es entscheidend sein, zu garantieren, dass auch nur diejenigen auf die Lerninhalte zugreifen können, die hierzu berechtigt sind. Lösungen, über Zugangscodes und oder Vouchers für den Login, müssen vorbereitet und implementiert werden.
Für eine zukünftige und nachhaltige Anwendungeneines solchen Ansatzes ist eine Grundvoraussetzung, dass alle Beteiligten dieses Ziel auch tatsächlich verfolgen. Es gilt auch, kulturelle Bedenken zu überwinden. So ist es unabdingbar, dass ein Arzt, trotz und gerade wegen seines Ansehens angerufen werden kann - auch von einer Hebamme oder Krankenpfleger*in. Der Ansatz war - ohne zusätzliche Sponsorenmittel nicht umsetzbar. Aufgrund der involvierten Anrufkosten, ist es sehr unwahrscheinlich, dass Krankenpfleger*innen oder Hebammen im Bedarfsfall einen solchen Kostenpflichtigen Anruf tätigen würden. Das heißt in der Konsequenz, dass bei der Auswahl einer solchen Anwendung, darauf Rücksicht genommen werden muss, dass die Kosten für ein Dinesthandy und die damit gemachten Anrufe vom Arbeitgeber gänzlich übernommen werden müssen. Übergeordnete Institutionen, wie z.B. das Ministry of Health (MOH) und/oder der Ghanaian Health Service und andere, müssen diese Kostenübernahme garantieren - ansonsten bleibt ein virtuelles Telemedicine Centre weiterhin ein Traum.